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Die Medien Malerei und Fotografie und ihre elementaren Qualitäten gehen im künstlerischen Werk von Astrid Bechtold-Fox eine homogene und zugleich spannungsvolle Symbiose ein. 

 

Auf den ersten Blick möchte man meinen, es handle sich um landschaftliche Abstraktionen mit Tiefenentwicklung und kosmischer Atmosphäre, bzw. um abstrakte Kompositionen, die an solche erinnern. Aber es ist eben nicht diese landschaftliche Umgebung, ihr Raum, der wahrgenommen, festgehalten und piktorial transferiert wird – keine Impressionen à la Monet mit der Staffelei im Grünen, die Mohnblumenwiesen und Tümpel malend, die dann im Spätwerk zu abstrahierten Farbfeldern werden, oder im Jahrhundert zuvor die Farbnebel wildromantischer Seestücke bei Willem Turner. Bechtold-Fox wählt als Ausgangspunkt die mikrokosmische Seite der Natur – sie lässt uns eintauchen in die Innenwelt der Blumen. Der Betrachterstandpunkt ist wie der einer Sonde, und begibt sich auf die Reise durch die Blütenwelt der Orchidee, Rosen oder Tulpen. Durch die extreme Vergrößerung, Nahsicht und Unschärfe der Kameralinse entsteht Immaterialität, malerische Unschärfe und koloristische Autonomie der an sich klar morphologisch strukturierten Pflanze. Der optische Ausschnitt zeigt keinen stofflichen Verismus der Oberflächenbeschaffenheit der Blütenblätter oder Stängel kann keine Details fixieren, keine Differenz zwischen Nähe und Distanz ausmachen. Das malerisch Koloristische dominiert gegenüber dem gestochen scharf Grafischen. So stehen Bechtold-Fox' malerisch fotografische Abstraktionen der Pflanzen im diametralen Gegensatz zu Karl Blossfeldts oder Edward Westons Pflanzenfotografien. Die Pioniere der neusachlichen Fotografie schenken die ganze Aufmerksamkeit dem Ding an sich, isolieren es als grafisch-plastisches Objekt im gestochen scharfen Hell-Dunkel.

 

Bechtold-Fox schafft eine transformierte Wirklichkeit mit den Mitteln der Natur, räumt ihnen bildliche Autonomie ein, die wie ein lyrischer Duft der Blumen uns entgegensprühen. Die fotografische Unschärfe ist eng an das Medium Malerei gekoppelt, und ist nicht nur eine technische Begebenheit des nicht auf scharf eingestellten Kameraobjektivs: das subjektiv emotional Verschwommene der Malerei. Sie ist gleichsam eine der Quintessenzen des individuellen Ausdrucks des Bildlichen, deren Wiege in der Venezianischen Malerei des 16. Jahrhundert zu finden ist: beim Triumvirat Tizian, Veronese Tintoretto. Diese Tradition läuft weiter über Velázquez, Chardin, Turner über die Farbfleckenmaler des Impressionismus hinein in die vorabstrakt expressionistischen Farbfelder von Monet, und dann weiter in der New York School bei Sam Francis, Morris Louis und Helen Frankenthaler; optische Vibrationen der Farbe. Trotz der radikalen abstrakten Bildsprache spielt Natur bei ihnen eine eminente Rolle – wenn auch vergeistigt sublimiert oder auf eine atmosphärische Ebene bezogen. Hier schließt Astrid Bechtold-Fox' malerischer Abstraktionsbegriff an. Jedoch ist zu unterstreichen, dass Abstraktion nicht von sich aus geschaffen wird, sondern stets vom realen Objekt der Blume ausgeht, gekoppelt an die Destruktion der klaren Wirklichkeit durch das diffuse Auge der Kamera. Diese diffuse Erscheinung ihrer Fotografie wurzelt auch im dezidierten Abstraktionsbegriff der Künstlerin. 

Bechtold-Fox switcht stets zwischen den Medien Fotografie und Malerei, die sich gegenseitig befruchten. Während in den fotografischen Werken der Gegenstand Blume eine konkrete Vorgabe der Künstlerin gibt – trotz Abstrahierung und Auflösung – ist sie vor der Leinwand unabhängiger. In dünnen, lasierenden Schichten trägt Bechtold-Fox die Acrylfarbe auf; ein Hauch von Farbe legt sich auf den Bildgrund. Nuancierte Unterschiede der hellen zarten Farben fordern das Auge heraus in Ruhe und Konzentration die Malerei zu betrachten; keine kreischend aggressiven Farbtöne, die uns optisch anspringen. 2003 sind noch farbintensive sinnlich rote abstrakte Bilder entstanden, die in der Folge vom hellen zarten Weiß abgelöst worden sind – als Reinigung, zur Sensibilisierung des Auges. Diese Werke sind im Unterschied zu den Fotografien unbetitelt, um der Autonomie vor dem Botanischen Ausdruck zu verleihen. Jedoch wirken die verschwommenen Fotoaufnahmen von Orchidee und Tulpe auf den malerischen Schaffensprozess ein, als eine Art Formenvokabular, das Astrid Bechtold-Fox gespeichert hat.

Florian Steininger 

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